Anfang September endete die Maskenpflicht in NRWs Klassenräumen. Die Landesschüler*innenvertretung (LSV) NRW fordert das TOP-Prinzip an Schulen anzuwenden. Nur durch andere Schutzmaßnahmen kann die Maskenpflicht abgelöst werden. Dies hat die Politik jedoch verschlafen: Es wird weder der Regelbetrieb eingeschränkt, noch werden wie zum Beispiel an anderer Stelle Plexiglasscheiben eingesetzt oder die Belüftung ausreichend sichergestellt. Eine Gefährdung für die Gesundheit der Schüler*innen, Lehrer*innen und vieler weiterer.
“Gerade die heißen Nachmittage waren mit Maske eine Zumutung. Man konnte sich nur schwierig auf den wichtigen Unterricht konzentrieren.”, fasst Johanna Börgermann aus dem Landesvorstand ihre Erfahrungen zusammen. So wie Börgermann fühlten sich in NRW viele Schüler*innen und sind zwiegespalten in ihrer Meinung zur Maske im Unterricht.
Zum einen ist die Maske laut der Wissenschaft der beste Schutz in geschlossenen Räumen. Zum anderen ist das Lernen mit einer Maske stark erschwert. Im vergangenen Monat akzeptierten die LSV NRW und die Schüler*innen NRWs mehrheitlich die Maskenpflicht – der Schutz aller am Schulleben Beteiligten steht schließlich an erster Stelle. Doch mit jedem Tag ohne richtigen Normalbetrieb wird das Bildungsdefizit in den Schulen größer. In den Grundschulen werden Grundlagen teilweise verlernt. An weiterführenden Schulen werden komplexe Themen nicht verstanden. Zu Hause wiederholen und lernen kann aber nur, wessen Eltern dafür Zeit und Wissen haben. Können Schüler*innen nicht gut in der Schule lernen, bestimmt die soziale Herkunft (wie die Bildung der Eltern) über den Lernerfolg der Schüler*innen. Aus diesem Grund ist es unerlässlich, den Schüler*innen die bestmöglichen Voraussetzungen zum Lernen zu schaffen. “Wenn man mehrere Stunden in einem heißen und stickigen Raum unter einer stickigen Maske sitzen muss, fällt einem das Lernen besonders schwer.”, so Moritz Bayerl aus dem Landesvorstand der LSV NRW. “Wenn man dann noch viel sprechen muss oder gerade dabei ist, eine neue Fremdsprache zu erlernen, ist die Maske der Super-GAU. Unter diesen spricht es sich schlecht und man versteht Maskenträger*innen auch viel schlechter”, ergänzt Bayerl.
Doch es kann nicht die Lösung sein, einfach nur die Maskenpflicht in den Klassen abzuschaffen.
Viel mehr braucht es ein Konzept, um Unterricht an den Schulen sicher gestalten zu können. Die LSV NRW unterstützt Gewerkschaften wie die GEW bei ihrer Forderung, Hygieneschutz an Schulen nach bestimmten Prinzipien vorzunehmen. Um die Hygienemaßnahmen so angenehm wie möglich zu gestalten, sollen zunächst technische (T) Maßnahmen getroffen werden. So können Plexiglasschutzwände aufgestellt werden, es kann häufig gelüftet werden und es können weitere Räume (oder Außenflächen) genutzt werden.
Nach diesen sollten organisatorische (O) Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Gerade die Klassen in feste und wenn möglich kleinere Gruppen einzuteilen, ist ein probates Mittel.
Nur als letzte Reißleine sollten persönliche (P) Schutzmaßnahmen getroffen werden. Dementsprechend fordert die LSV NRW die Maskenpflicht nur noch als letztes Mittel zu nutzen. Schüler*innen sollten grundsätzlich im Unterricht keine Maske mehr tragen müssen. Dort, wo der Platz es zulässt, sollte es auch in den Pausen für Schüler*innen die Möglichkeit geben, die Masken auszuziehen und frische Luft zu schnappen.
Weiterhin fordert die LSV NRW die Politik auf, die Lehrkräfte dazu anzuregen, mehr Unterricht im Freien zu machen. Dort ist die Infektionsgefahr signifikant niedriger.
Allerdings verurteilt die LSV NRW die Bewertung des Distanzunterrichts weiterhin scharf. Der Distanzunterricht ist nicht mit dem Präsenzunterricht vergleichbar: Es gibt keinen persönlichen Kontakt zur Lehrkraft und wenn Fragen aufkommen, muss man auf deren Beantwortung häufig warten. “Besonders absurd wird es bei der Bewertung von analogem Distanzunterricht. So bekommen an vielen Schulen NRWs die Schüler*innen Lernzettel oder Aufgaben aus dem Buch zur Selbstlektüre auf. Völlig ohne Kontakt zur Lehrkraft, aber laut Schulministerium vergleichbar mit einer Unterrichtsstunde, in der ich nicht nur den Stoff erklärt bekomme, sondern auch Fragen stellen kann.”, beschwert sich Börgermann über die Entscheidung des Ministeriums.
Wären Schüler*innen Angestellte in einem Unternehmen, so wären sie während dieser Krise weitaus besser gestellt: Zum einen müsste der Arbeitgeber die persönliche Schutzausrüstung stellen, die er einführt. Das verweigert das Schulministerium vehement – und das, obwohl Schüler*innen im Gegensatz zu Angestellten nicht einmal Einkommen beziehen. Zudem gilt das TOP-Prinzip in Betrieben verpflichtend. Bei der Gefahrenbeurteilung, die einer Lösungsfindung am TOP-Prinzip vorangeht, müssen sogar die Personal- und Betriebsräte beteiligt werden. An den Schulen NRWs ist hier wie so oft kein Funke Mitbestimmung erkennbar.
Schon am Anfang der Sommerferien warnten Verbände davor, dass sich das Schulministerium zurücklehne und keine weiteren Maßnahmen, wie etwa Plexiglasscheiben umsetzt. Einen Monat später bietet sich dasselbe Bild: Die Schulen sind eben keine Banken und wir Schüler*innen keine Wähler*innen – also zu vernachlässigen. “Ob sich dieser fahrlässige Sparkurs des Ministeriums noch rächen wird, weiß aktuell niemand. Dass es eine unnötige Gefährdung von Millionen Menschen ist, steht jedoch fest.”, kommentiert Börgermann die Lage.