Gastbeitrag: Keine Bundeswehr-
Werbung an Schulen!

Alle paar Monate, besonders zum Ende des Schuljahrs, prangen sie wieder in Schaukästen und auf Plakatwänden: die Werbeplakate der Bundeswehr. Die Armee sucht dringend Nachwuchs. 22.000 Stellen sind unbesetzt bei der Armee, die ja eigentlich nur für die Verteidigung eingeführt wurde, inzwischen aber in immer neue Kriegseinsätze geschickt wird. Werbung findet nicht nur außerhalb der Schulen statt: Seit vielen Jahren suchen „Jugendoffiziere“ und „Karriereberater“ der Bundeswehr Schulen auf, um für die Armee Öffentlichkeitsarbeit zu machen und Nachwuchs zu gewinnen. Während die Jugendoffiziere die Aufgabe haben, die Bundeswehr als Ganzes in ein positives Licht zu stellen, die umstrittenen Kriegseinsätze und die stetig steigenden Aufrüstungskosten zu rechtfertigen, stellen die Karriereberater die Tätigkeit in der Armee als normalen Beruf dar. Das hält einer kritischen Betrachtung natürlich nicht stand: Auch Soldaten, die eine technische Ausbildung bei der Armee machen, werden an der Waffe ausgebildet und müssen sich zu Auslandseinätzen verpflichten. Sie sind Teil einer Kriegsführungsmaschinerie, ob sie das wollen oder nicht. Die Tätigkeit des Soldaten besteht darin, andere Menschen zu töten und das Risiko einzugehen, selbst getötet zu werden. Das ist nicht die Ausnahme, wie es z.B. bei der Polizei oder der Feuerwehr der Fall ist, sondern der Normalfall! Das gerät bei asymmetrischen Kriegseinsätzen wir in Afghanistan oder Mali leicht aus dem Blickfeld, da hier der Gegner mit unterlegenen Waffen ausgestattet ist und daher die Bundeswehr bisher nur wenige Opfer zu beklagen hatte. Über gegnerische Tote spricht man bei der Armee sowieso nicht gerne. Hinzu kommt, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Soldat*innen im Einsatz eine psychosoziale Störung erleiden, an der sie teilweise dauerhaft erkranken. 2019 litten dem Wehrbeauftragten zufolge 982 Soldaten an einer einsatzbedingten psychischen Erkrankung. Die Bundeswehr versucht dies alles in ihrer Werbung durch Bilder und Parolen von Abenteuer, Teamgeist und Hilfsbereitschaft zu überdecken. Doch wer hinter die Kulissen blickt, sieht die Realität, die schon immer für alle Armeen galt!

Da die Soldatentätigkeit eben kein Beruf wie jeder andere ist, hat die UN-Kinderschutzkonvention die Rekrutierung von unter-18jährigen verurteilt. Über 130 Staaten orientieren sich daran und rekrutieren erst ab 18. Neben einigen autoritären Staaten gehört jedoch auch Deutschland zu den Ausnahmen. Auch weil die Bundeswehr bereits ab der 8. Klasse Schüler*innen an Schulen anspricht, wurden 2019 1705 Minderjährige bei der Bundeswehr zu Soldaten ausgebildet. Diese Praxis spricht ebenfalls gegen die Bundeswehrauftritte an Schulen und der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Deutschland aufgefordert, „alle Formen von Werbekampagnen für die deutschen Streitkräfte, die auf Kinder abzielen, zu verbieten.“

Protest und Widerstand

2008 wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem nordrhein-westfälischen Schulministerium und der Bundeswehr abgeschlossen, die der Bundeswehr den Weg in die Schulen ebenen sollte. Dadurch wurden viele Menschen auf diese Praxis der Armee aufmerksam und es regte sich großer Widerspruch. Nach der Schulverfassung sind die Schulen verpflichtet, Schüler*innen „zur Völkergemeinschaft und zur Friedensgesinnung“ zu erziehen (§2 Abs. 2 Schulgesetz NRW). Viele Menschen innerhalb und außerhalb der Schulen hatten und haben ihre Zweifel, ob die Bundeswehr dazu der geeignete Partner ist. Hinzu kommt, dass die Schulen nach dem „Beutelsbacher Konsens“ angehalten sind, politische Sachverhalte, die in der Gesellschaft umstritten sind, auch im Unterricht entsprechend ausgewogen darzustellen. Auch darf eine Überwältigung der Schüler*innen nicht stattfinden, also eine Beeinflussung durch einseitige, besonders massiv vorgetragene und eindringliche Darstellung. Verschiedene Jugendorganisationen in NRW sprachen sich daher gegen die Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr aus, als eine der ersten auch die LandesschülerInnenvertretung NRW. 2011 gründete Jugendorganisationen und Friedensgruppen das Bündnis „Schule ohne Bundeswehr NRW“, um gemeinsam gegen die Bundeswehrauftritte an Schulen vorzugehen. „Wir sind der Ansicht, dass Jugendliche ein Recht auf eine Zukunft ohne Krieg und auf ein gemeinsames Leben in Frieden haben. Wir verwehren uns gegen eine zweckgeleitete Kriegspropaganda an unseren Schulen Das Militär hat an Schulen, Universitäten und Arbeitsämtern nichts zu suchen. Es darf keine Werbeanstrengungen, offen oder verdeckt, an Schulen geben. Weg mit Unterrichtseinheiten, die SchülerInnen auf angebliche Sachzwänge orientieren statt eine gründliche Problemanalyse zu erarbeiten. Weg mit Freizeiten, die mit Abenteuergeist und Technikfaszination ein geschöntes Bild vom Leben als Soldat vorspiegeln.“ heißt es im Bündnisaufruf.

Die inzwischen rot/grüne Landesregierung reagierte 2012 auf die Proteste und ergänzte die Kooperationsvereinbarung um den Passus „Jugendoffiziere der Bundeswehr können, wie auch Vertreterinnen und Vertreter anderer Institutionen sowie Organisationen der Friedensbewegung, im Rahmen von schulischen Veranstaltungen Schülerinnen und Schüler über die zur Friedenssicherung möglichen Instrumente der Politik und die Aufgabenstellung der Bundeswehr informieren“. Dass in einer Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr auch der Friedensbewegung das Recht zu Schulbesuchen eingeräumt wurde, sahen viele Kritiker als schwachen Versuch an, die Proteste einzudämmen. Denn nach wie vor wurde den Besuchen der Bundeswehr Vorrang eingeräumt, die Bundeswehr verfügte dazu über einen Pool an hauptamtlichen, speziell geschulter Offizieren, während die Friedensbewegung vorrangig durch ehrenamtliche Aktivisten vertreten wird. Mit immer neuen Argumenten versuchen Ministerium und Bundeswehr aber auch verschiedene Parteien bis heute die Bundeswehrbesuche zu rechtfertigen. Da wird z.B. der Verfassungsauftrag der Armee herangezogen, der der Bundeswehr das Recht zu den Besuchen gebe. Doch gerade der Art. 87a des GG zeigt, dass die Bundeswehr kein unveränderbarer Bestandteil unseres Staates ist. Er wurde erst 1956 nachträglich eingeführt, als der Kalte Krieg die ursprüngliche antimilitaristische Stimmung der jungen Bundesrepublik überlagerte und die Einführung der Bundeswehr gegen zahlreiche Proteste so ermöglicht wurde. Auch heute ist Sinn und Charakter der Bundeswehr in der Gesellschaft umstritten, ein Sonderrecht in der Schule steht ihr also nicht zu.

So gingen die Proteste weiter, u.a. forderte 2013 die Landesmitgliederversammlung der Grünen Jugend NRW das Schulministerium auf, die Kooperationsvereinbarung sofort zu kündigen, der Landesjugendring NRW verabschiedete 2014 eine Erklärung mit der Überschrift „Bundeswehr raus aus Schulen und Unterricht- Kooperationsvereinbarung ersatzlos kündigen“.

Bundeswehr an unserer Schule – ohne uns!

Da die Landesregierung nicht weiter auf die Proteste reagierte und die inzwischen regierende schwarz/gelbe Koalition der Bundeswehrwerbung prinzipiell positiv gegenüber steht, haben an vielen Schulen Schüler*innen aber auch Lehrer*innen die Sache selber in die Hände genommen. Sie haben sich kreative Protestaktionen ausgedacht, wenn die Bundeswehr in die Schule eingeladen wurde oder versucht, solche Besuche bereits im Vorhinein zu verhindern. Die Bundeswehr kann nur an die Schule kommen, wenn sie eingeladen wird. Also kann man durch Protest oder auch durch aufklärende Gespräche mit Lehrer*innen oder Schulleitung eine solche Einladung verhindern oder rückgängig machen. An einigen Schulen, wie z.B. der Willy-Brandt-Gesamtschule in Bochum, ist man einen Schritt weiter gegangen und hat in der Schulkonferenz einen Beschluss gefasst, die Bundeswehr generell nicht einzuladen. 2013 zeichnete der Aachener Friedenspreis gleich drei solcher Schulen aus. Ein solcher Beschluss kann auch ergänzt werden durch die Vereinbarung, stattdessen jährlich eine Projektwoche oder Projekttag zum Thema „Frieden“ durchzuführen.

Hier nun einige Tipps, wie man an der Schule gegen Werbemaßnahmen und einseitige Einflussnahme der Bundeswehr aktiv werden kann, Wichtig ist dabei immer, möglichst viele andere in die Proteste mit einzubinden, nicht alleine zu stehen:

1. Fall: Du möchtest einem „Besuch“ der Bundeswehr an deiner Schule vorbeugen

Du stellst einen Antrag an die Schulkonferenz mit dem Ziel, Deine Schule zur „Bundeswehrfreien Zone“ zu erklären. Im Vorfeld setzt Du dich mit dem Lehrer*innen-Rat und Elternvertreter*innen, unabhängig voneinander, zusammen. Du stellst ihnen dein Anliegen vor und versuchst sie zu überzeugen, dass die Bundeswehr in der Schule nichts zu suchen hat. Dies führt Erstens dazu, dass sich alle am Schulleben Beteiligten mit der Thematik auseinandersetzen und regt Diskussionen auf allen Ebenen an. Zweitens ist es nur zu Deinem Vorteil, wenn Du potentielle Gegner bereits vor der Konfrontation in der Schulkonferenz ausmachen und eventuell im persönlichen Gespräch überzeugen kannst.

Einen Musterantrag für die Schulkonferenz findest Du auf der Homepage www.schule-ohne-bundeswehr-nrw.de

2. Fall: Ein Bundeswehrbesuch an deiner Schule hat sich angekündigt und es gibt noch keinen Schulkonferenz-Beschluss gegen die Bundeswehrbesuche

Als erstes solltest Du versuchen, die Lehrperson, bei der der Bundeswehrbesuch stattfinden soll davon zu überzeugen, dass die Bundeswehr in Schulen nichts zu suchen hat, weil das z.B. dem „Beutelsbacher Konsens“ widerspricht. Wenn du Pech hast, hat diese Lehrperson die Bundeswehr aus Überzeugung eingeladen. Dann solltest Du schnellst möglich versuchen deine SV, Freunde und Bekannte sowie Lehrer*innen Deines Vertrauens darüber zu informieren und gemeinsam mit ihnen Gegenwehr zu organisieren. Der Protest kann ganz unterschiedliche Bestandteile haben, die auch einzeln sehr wirksam sein können:

• Ein einfaches Gespräch von Lehrer zu Lehrer

• Ein Gespräch mit der betroffenen Klasse / dem betroffenen Kurs

• Ein Gespräch mit der Schulleitung

• Das Einberufen einer „Eil-Konferenz“ (siehe §67 Abs.4 SchulG NRW) mit positivem Beschluss des oben angeführten Antrags

• Breiten Protest mit der Schüler*innenschaft organisieren (z.B. indem Ihr Flyer gestaltet und verteilt)

• Schreibt einen Artikel für die Schülerzeitung

• Nehmt Kontakt zur örtlichen BezirksschülerInnenvertretung, Friedensgruppe, Antifa oder anderen Gruppen auf und bittet um Unterstützung

• Verfasst Presseerklärungen und schickt diese an die lokale/regionale Presse.

Im Idealfall kann schon einer dieser Schritte dafür sorgen, dass der Bundeswehroffizier ausgeladen oder von Seiten der Bundeswehr auf einen „Besuch“ verzichtet wird!

Im Regelfall musst du davon ausgehen, dass der Großteil des Lehrerkollegiums nichts von dem bevorstehenden „Besuch“ weiß, deshalb kann es sein, dass die Lehrer*innen deiner Schule nichts unternehmen (wollen). Du solltest dich deshalb eher auf deine eigene Initiative verlassen.

Du kannst dich natürlich auch auf Antrag deiner Eltern vom Unterricht freistellen lassen. Dabei solltest du jedoch berücksichtigen, dass es besser ist, den Vortrag zu stören und kritische Fragen zu stellen, als eine Gruppe unkritischer Mitschüler*innen mit dem Bundeswehroffizier alleine zu lassen. Eine Freistellung macht demnach nur Sinn, wenn der ganze Kurs mitzieht.

3. Fall: Der „Besuch“ der Bundeswehr ist nicht mehr zu verhindern

Du kannst dich bei der entsprechenden Lehrperson dafür einsetzen, dass auch eine Vertreter*in einer Friedensorganisation/-initiative eingeladen wird. Dann stehen den Aussagen des Jugendoffiziers andere, kritische Argumente gegenüber, dessen Schönfärberei wird entlarvt. Auf der Homepage des Netzwerks „Schule ohne Bundeswehr NRW“ findest du Ansprechmöglichkeiten. Entweder die Gegenwehr im Vorfeld ist nicht erfolgreich gewesen oder du hast erst sehr kurzfristig davon erfahren. Nun musst du zu dem letzten Mittel greifen, das dir als Schüler*in noch bleibt:

Ziviler Ungehorsam

Wenn Du eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aus Deiner Schule hinter Dir hast (z.B. Deine SV oder andere Unterstützer*innen), kannst Du verschiedenste Aktionen gegen den Besuch der Bundeswehr planen:

o Schnappt Euch ein paar Ketten und Schlösser und schließt die Eingangstüren Eurer Schule ab oder baut Barrikaden – so kommt einfach niemand mehr in die Schule – auch nicht die Bundeswehr.

o Bildet Menschenketten aus mehreren Schüler*innen und stellt Euch vor die Schule und zeigt – womöglich auch lautstark – dass Ihr die Bundeswehr an Eurer Schule nicht haben wollt!

o Malt Transparente und hängt sie im Eingangsbereich auf oder malt mit Kreide Sprüche auf den Boden.

o Manchmal stellt die Bundeswehr schon am Vorabend ihren Truck auf dem Schulhof ab – euch ist selbst überlassen, was ihr damit macht.

Du bist in dem Kurs oder in der Klasse, in die die Bundeswehr kommt? Bereite Dich und Deine Mitschüler*innen vor und versucht doch einfach mal folgendes:

o Verschönert euren Klassenraum z.B. indem ihr Sprüche an die Tafel schreibt, wie „Lernen bei der Bundeswehr heißt Töten lernen“, „Bundeswehr – Werben für Sterben“, „Bundeswehr – ein totsicherer Job“ etc.

o Der Jugendoffizier quatscht – dreht Euch mit Eurem Stuhl einmal komplett rum und ignoriert ihn einfach!

o Ihr seid zum Thema gut informiert? – Dann stellt kritische Rückfragen, schnell werdet Ihr merken, dass der Jugendoffizier sich nur an ein bestimmtes Antwort-Schema hält.

o Fragt nach unangenehmen Details! – Wie viele Bundeswehr-Soldat*innen würden den Dienst an der Waffe weiterempfehlen? Oder wie viele Soldat*innen sind nach dem Einsatz traumatisiert? Sind tatsächlich mehr Bundeswehrsoldat*innen an Selbstmord gestorben als unter Beschuss?

o Macht Euch lautstark bemerkbar, während der Jugendoffizier spricht. So kommt er gar nicht dazu, seine Propaganda weiter zu verbreiten.

Macht Euch schlau!

Auf der Website von „Schule ohne Bundeswehr NRW“ findet Ihr mehr Infos, Argumentationshilfen, Aktionsbeispiele und Links. Auch auf Facebook gibt es immer wieder aktuelle News. Gerne könnt Ihr uns auch direkt ansprechen.

 

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Link: Website Schule ohne Bundeswehr NRW
Link: Facebook Seite des Bündnis
Mail: info@schule-ohne-bundeswehr-nrw.de

Hinweis zum Text

Dieser Text wurde durch das Bündnis Schule ohne Bundeswehr NRW verfasst und spiegelt nicht unbedingt die Auffassung von eureka! wider.

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